Kommentar: Google und Lenovo in der Win-Win-Situation

Sasan Abdi
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Sasan Abdi

Google verkauft Motorola nach kürzester Zeit weiter. Ist das Geschäft mit Lenovo von Hybris getriebener Wahnsinn? Ein Zeichen der Schwäche? Überhaupt nicht: Wenige Deals in der Branche waren je so sinnvoll wie dieser.

Auf den ersten Blick ist es ein Geschäft, das unsinnig erscheint: Google steigt nach nicht mal zwei Jahren mit einem Verlust bei Motorola aus, während Lenovo für eine nicht unerhebliche Summe in einen Hersteller investiert, dem mittelfristig droht, von der Konkurrenz aufgerieben zu werden.

Bei näherer Betrachtung passt der Deal aber wunderbar in die Logik der beiden Konzerne. Da ist auf der einen Seite Google, das sich längst nicht mehr als reines Internet-Unternehmen versteht, sondern seit geraumer Zeit massiv in Zukunftstechnologien investiert. Smartphones und Tablets sind mit Blick auf Technologien wie Google Glass, intelligente Kontaktlinsen, Kampfroboter und Genforschung einfach „so 2010“.

Dazu passt auch das Gerücht, wonach Google zukünftig keine eigenen Geräte mehr produzieren lassen, sondern vielmehr einzelne Produkte dritter Hersteller unterstützen möchte. Wozu soll sich das Unternehmen von Sergey Brin und Larry Page auch mit den geringen Margen, dem beinharten Konkurrenzkampf und der latent schlechten Presse um die Herstellungsbedingungen herumschlagen? Samsung, HTC, LG und Co. werden die mittlerweile bestens etablierte Android-Plattform ohnehin notgedrungen weiter kräftig pushen.

Hinzu kommt, dass Google sich die Filetstücke von Motorola sowieso schon gesichert hat. Die Patente, und damit die Kronjuwelen, werden nicht weggegeben, sondern von Lenovo lizenziert. Damit ist das vorrangige Ziel der „Mission Motorola“ geglückt, wobei die anvisierte Stärkung der Android-Patentbasis die Investition in jedem Fall wert war. Nun stellt sich aber erst recht die Frage: Warum sich noch weiter mit den Niederungen der Hardware-Herstellung befassen?

Lenovo ist vor diesem Hintergrund der ideale Abnehmer für Google, weil er andere Interessen hat, als viele klassische Konkurrenten. Während letztere in Motorola nicht zu Unrecht eine teure Gefahr für das eigene Überleben sehen, ist der chinesische Gigant nicht an der Fertigung oder Struktur von Motorola interessiert. Es sind vielmehr die Marke und die Vertriebswege, die für Lenovo entscheidend sind: Ob in Schwellenländern oder auf den etablierten Märkten – Motorola ist nach wie vor ein klingender Name und damit ein sehr schöner Anstrich für einen Hardware-Konzern, der mit Konkurrenten wie Huawei oder ZTE konkurrieren muss und in weitere Märkte expandieren möchte.

Deswegen verwundert es auch nicht, dass Lenovo als heißer Interessent für BlackBerry gehandelt wurde, denn auch das kanadische Unternehmen hätte mit seinem Namen einen Faktor darstellen können, mit dem sich Lenovo von seinen asiatischen Konkurrenten hätte absetzen können.

Dass genau dies die Strategie ist, wird beim Blick ins PC-Segment deutlich. Hier kaufte Lenovo IBM die Notebook-Sparte ab, um sich vom „Billigheimer“-Klischee der asiatischen Hersteller abzugrenzen – und fährt mit dieser Strategie bisher gut.

Unterm Strich ist das Geschäft für beide Seiten sehr sinnvoll. Zugleich bestärkt es einen bereits länger erkennbaren, allgemeineren Trend: Im Herstellersegment sind die Industrienationen weiterhin auf dem Abstieg und werden mittelfristig bei der „Current Gen“-Technologie wie den konventionellen Smartphones komplett von Konkurrenten aus den Schwellenländern abgelöst werden. Diese Transformation ist für breit aufgestellte, zackige Konzerne wie Google naheliegend und positiv – für die Nokias, BlackBerrys und Motorolas dieser Welt aber heißt dies, dass die fetten Jahre nun definitiv vorbei sind.

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