Windows Phone 7 angetestet

Benjamin Beckmann
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Im Rahmen der IFA lud Microsoft am Donnerstagabend einige Pressevertreter und Fachbesucher zur Vorstellung einiger neuer Produkte nach Berlin-Mitte ein. In schickem Ambiente stellte uns Technical Evangelist Dr. Frank Prengel das mit Spannung erwartete Smartphone-OS Windows Phone 7 persönlich vor.

So hat Microsoft laut Prengel aus den Fehlern der Windows-Mobile-Serie gelernt und wolle nun die Qualität der angebotenen Features erhöhen, während man sich auf das Wesentliche konzentriert – „Klasse statt Masse“, also. Inhalte, die gemeinsam in einem Kontext stehen, sollen aggregiert und ansprechend aufbereitet werden, um dem Benutzer lästige Suchen zu ersparen. Konkret geht es dabei um sogenannte „Hubs“, welche die verschiedenen Anwendungsbereiche abdecken. Kontakte bilden beispielsweise einen solchen Knoten – entsprechend viele Möglichkeiten zur Verknüpfung diverser Inhalte stünden dem Kunden zur Verfügung.

Weg vom „Einheitsbrei“

Dem wurde auch durch das Design Rechnung getragen. Statt einer durch Wallpaper, Widgets und Symbolen anpassbaren Oberfläche wird man von sogenannten Tiles überrascht – Rechtecke, die zum Aufruf bestimmter Anwendungen dienen. Sie können aber auch Informationen vermitteln. So nannte Prengel als Beispiel einen Fußball-Ticker, dessen Tile den aktuellen Spielstand anzeigt. Über sogenannte Push-Dienste können die Felder bei Bedarf aktualisiert werden. Diese Möglichkeit ersetzt zudem das Multi-Tasking. Nur systemeigene Dienste können im Hintergrund rechnen, Apps von Drittanbietern müssen ihren Zustand „einfrieren“ und können später an gleicher Stelle fortfahren. Eine Aktualisierung des eigenen Tile kann jedoch mithilfe des Push-Verfahrens umgesetzt werden.

Während das Vorgänger-Betriebssystem Windows Mobile 6.5 noch eine anpassbare Oberfläche bot, hat Microsoft diese Möglichkeit mit dem neuen Tiles-Konzept ausgeschlossen. Zwar lässt sich die primäre Farbe der Benutzeroberfläche (neben Schwarz und Weiß) ändern, hübsche Widgets á la HTC Sense gehören mit Windows Phone 7 aber der Vergangenheit an. Dies betonte auch Dr. Frank Prengel erneut und erstickte die Hoffnung, Microsoft würde den Herstellern entsprechender Smartphones Freiheit in der Gestaltung lassen, im Keim.

So stellt sich die Frage, wie man sich vom „Einheitsbrei“ unterscheiden will, wenn man diesen in Bezug auf die kommende Smartphone-Generation unter Windows Phone 7 selbst fördert. Nicht nur die Benutzeroberfläche wird in jedem Windows-Mobiltelefon gleich aussehen: Auch an die Geräte stellt Microsoft Anforderungen, die der Artenvielfalt nicht besonders zuträglich sind. So ist die Anzahl der Funktionstasten auf exakt drei von ihnen festgeschrieben (Zurück, Start, Suche). Außerdem muss eine separate Taste als Kameraauslöser fungieren. Zuguterletzt macht Microsoft auch ausführliche Vorgaben zu Chipsatz, Bauform, Speicher und Bildschirm.

Finales SDK am 16. September, erste Geräte im Oktober

Während unserer Recherchen im Rahmen der IFA hat sich auch ein Termin für die finale Version des SDK (Software Development Kit) herauskristallisiert: Am 16. September soll es soweit sein. Auf Nachfrage bestätigte eine Samsung-Sprecherin außerdem, dass das südkoreanische Unternehmen erste Geräte bereits im Oktober auf den Markt bringen will. Auch andere Hersteller wie HTC, LG und Sony Ericsson sollen in den kommenden Wochen und Monaten entsprechende Modelle präsentieren.

Erster Eindruck: Gut für Einsteiger, nichts für Bastler

Während unseres kurzen Tests machte die Windows-Phone-7-Oberfläche einen durchdachten und flotten Eindruck. Fehlende Features wie das sogenannte „Copy & Paste“ – das Kopieren, Ausschneiden sowie Einfügen von Texten und Objekten – oder echtes Multi-Tasking machen sich gewiss in einem ausführlichen Test bemerkbar. Sicher ist aber: Wer mit den restriktiven Vorgaben von Apple im Falle des iOS nicht einverstanden ist, wird auch an Windows Phone 7 keinen Gefallen finden.

Es bleibt außerdem abzuwarten, wie viel Anklang das Betriebssystem bei Entwicklern findet. Noch herrscht im Windows Marketplace gähnende Leere. Dass sich dieser Zustand noch im Herbst gravierend ändert, ist unwahrscheinlich. Solche Details werden mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft über den Erfolg oder Misserfolg des Windows-Mobile-Nachfolgers entscheiden.

Nahezu sicher scheint bereits: Microsoft ist wieder im Rennen. Und in der Flut von mehr oder weniger durchdachten Android-Geräten und einer Ebbe in der Verfügbarkeit des iPhone 4 kann ernsthafte Konkurrenz derzeit nicht schaden.

Windows Phone 7 angetestet
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  • Benjamin Beckmann E-Mail
    … hat von Oktober 2009 bis September 2011 Artikel für ComputerBase verfasst.
Quelle: Eigene

Ergänzungen aus der Community

  • Goodplayer 06.09.2010 13:05
    Ich habe kürzlich in einem Blog gelesen, dass sich Microsoft (vorerst?) gegen "echtes" Mulithreading entschieden haben könnte, da schlecht programmierte Programme (die sich z.B. nicht richtig beenden) sonst zu großen Einfluss auf die Performance haben könnten und der Kunde dies auf das Betriebssystem schieben könnte, was wiederum ein schlechtes Image hervorrufen würde.

    Microsoft arbeitet ja schon an einem ersten Update, welches zum Start oder kurz danach kommen soll. Das ist finde ich auch eines der größten Vorteile: Microsoft updatet selbst das OS (dank der einheitlichen Oberfläche), bei Windows Mobile musste dies der Hersteller des Smartphones tun, was ja bekanntlich oftmals sehr lange dauerte.

    Laut eines Mitarbeiters der Zune-Abteilung wird zum Start auch eine neue Version der Zune-Software veröffentlicht. Vielleicht gibt es dieses mal ja auch eine Mac-Version, denn diesen Wunsch habe ich schon öfters in verschiedenen Foren und auf Seiten gelesen (nicht nur deutschen); der Zune-Mitarbeiter twitterte auch (als Antwort auf die Frage eines Benutzers) etwas unverständliches, es sollte Microsoft also bekannt sein :).