Contact-Tracing: SAP und Telekom entwickeln deutsche Corona-App

Andreas Frischholz
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Contact-Tracing: SAP und Telekom entwickeln deutsche Corona-App
Bild: Telekom

Erst am Wochenende verkündete die Bundesregierung den Kurswechsel bei der Corona-App, nun soll auch in Deutschland die dezentrale Tracing-Lösung verwendet werden. Federführend verantwortlich für die Entwicklung der App sind jetzt die Deutsche Telekom und SAP.

Das teilte die Bundesregierung heute mit. Konkret heißt es, die Telekom und SAP sollen die Corona-App basierend auf einer dezentralen Softwarearchitektur entwickeln und „zur Marktreife zu bringen“. Die Fraunhofer-Gesellschaft und das Helmholtz-Zentrum CISPA beraten bei der Entwicklung, ebenso sind BSI und der Bundesdatenschutzbeauftragte von Beginn an in die Entwicklung eingebunden. Ebenso soll die App in eine europäische Lösung eingebunden sein – das entspricht der Pepp-PT-Leitidee.

DP3T-Modell ist Ansatz der Wahl

Nachdem das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) zuvor federführend an der Entwicklung einer zentralen Entwicklung beteiligt war, hat der Kurswechsel auch Auswirkungen auf die Entwickler-Teams. Die zentrale Lösung war bis letzte Woche noch der Favorit der Bundesregierung. Nach heftiger Kritik von Datenschützern sowie technischen Schwierigkeiten ist man von diesem Plan aber abgerückt. So lässt sich das zentrale Modell etwa derzeit nicht auf dem iPhone realisieren. Und Apple und Google verfolgen mit der gemeinsam geplanten Tracing-API für iOS und Android ohnehin einen dezentralen Ansatz.

Das Konzept bleibt wie gehabt: Mittels Bluetooth Low Energy erfasst die App, ob zwei Personen sich so lange in der Nähe aufgehalten haben, dass eine Covid-19-Infektion möglich ist. In diesem Fall tauschen die Geräte dann anonymisierte und regelmäßig wechselnde ID-Nummern aus. Wird eine Covid-19-Infektion bestätigt, erhält der Betroffene eine TAN von den Gesundheitsbehörden, um seine erfassten ID-Kontakte auf einen zentralen Server hochzuladen. Bei einem dezentralen Modell wie DP3T verteilt der Server die Listen mit ID-Nummern an die Nutzer, der Abgleich erfolgt jeweils auf dem Gerät. Das gilt als Privatsphäre schützender im Vergleich zu dem zentralen Ansatz, bei der ein Server die Daten verarbeitet und dann Push-Benachrichtigungen verschickt.

Von DP3T ist in der Mitteilung der Bundesregierung zwar nicht direkt die Rede, die beschriebenen Funktionen der App entsprechen aber dem Modell. Außerdem bestätigten Mitarbeiter des DP3T-Teams den Kontakt. „Wir sind mit SAP in Gesprächen zur Einführung von DP-3T“, sagte Cas Cremers vom Cispa-Institut für Informationssicherheit dem Spiegel.

Ein Problem bei dem dezentralen Ansatz ist: Alle Nutzer müssen die temporären IDs der Infizierten erhalten, um auf ihrem Gerät den Abgleich vornehmen zu können. Dementsprechend ist auch eine Server-Kapazität nötig, die – im Idealfall für das Tracing-Konzept – mit Anfragen von 50 bis 60 Millionen Nutzern umgehen kann. Daher war schon vorher im Gespräch, dass sich eine dezentrale Lösung wie DP3T nur mit großen Cloud-Anbietern umsetzen lassen. Wie Golem vermutet, sind deswegen die Telekom und SAP mit an Bord.

Termin weiterhin unbekannt

Wenn die Telekom und SAP die App fertig gestellt haben, wird diese vom Robert-Koch-Institut veröffentlicht. Sobald das Grundgerüst steht, ist zudem eine zweite Stufe geplant. Die wird es den Nutzern ermöglichen, freiwillig pseudonymisierte Daten an das RKI zu spenden, sodass die Forscher mehr Erkenntnisse über die Corona-Pandemie gewinnen können.

Ein Termin für die App nennt die Bundesregierung nicht. Im Gespräch war zuletzt Ende Mai, offiziell bestätigt ist das aber noch nicht. Ob das gelingt, hängt auch von Apple und Google ab. Beide Konzerne sollten in den kommenden Tagen und Wochen die direkt in das Betriebssystem implementierte Tracing-API bereitstellen, die als technisches Grundgerüst für die dezentrale Lösung dient.