EU Chips Act: Kleine beschlossene Schritte sollen zu großen Dingen führen

Volker Rißka
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EU Chips Act: Kleine beschlossene Schritte sollen zu großen Dingen führen
Bild: Twitter

20 Prozent der globalen Halbleiterfertigung sollen in der EU stattfinden. Dafür stellt man mit dem EU Chips Act kleine Weichen, die auf den ersten Blick im internationalen Vergleich verblassen könnten. Als direkte Mittel werden nur 3,3 Mrd. Euro bereitgestellt, damit erhofft sich die EU viele weitere Gelder aus der Wirtschaft.

Die Halbleiterfertigung in hiesigen Gefilden bleibt ein ehrgeiziges Ziel, doch mit der Gießkanne wird die EU keine Gelder verteilen, zumindest nicht direkt. Doch ob 20 Prozent der weltweiten Halbleiterfertigung in Europa bereits in sieben Jahren mit diesen Mitteln erreicht werden, bleibt fraglich, aktuell sind es nicht einmal mehr zehn Prozent. Zumal seit dem Aufsetzen des Vertrags vor über einem Jahr die Preise explodiert sind, man für das gleiche Geld nun schlichtweg überall weniger bekommt – der jetzt beschlossene EU Chips Act ist so vor Inkrafttreten effektiv geschrumpft. Das zeigt als Paradebeispiel Intels Fabrikbau in Deutschland, deren Kosten schon vor dem Bau explodiert sind und die deshalb mehr Geld vom Land, Staat und der EU wollen.

Das Gesetz öffnet Türen

Der Teufel steckt hierbei im Detail und ist Definitionssache. Denn die EU gibt im Rahmen des EU Chips Act zwar auf den ersten Blick weniger Geld frei als andere Regionen, lockert aber einige kleine, durchaus wichtige Regeln. Eine davon ist die der „first-of-a-kind facility“, also eine Fabrik modernster Art, die es bisher in Europa nicht gibt. Hier gelten die bisherigen Förderregeln mit ihren Höchstsätzen nämlich nicht mehr und die Regierungen können massiv mehr Geld zuschießen, damit das Projekt umgesetzt wird. Effektiv gibt es hier nun quasi keine Grenze mehr.

Die öffentliche Unterstützung kann bis zu 100 % der nachgewiesenen Finanzierungslücke decken, d. h. den Mindestbetrag, der notwendig ist, damit solche Investitionen in Europa getätigt werden.

Genau so etwas wollen zusammen mit einer beschleunigten Genehmigung natürlich Hersteller wie Intel sehen, denn die neue Fabrik in Magdeburg könnte diese Auflagen zum Teil erfüllen. Sie soll Produkte in Intel 18A fertigen, auf die heutigen Marketing-Begriffe der Branche übersetzt etwa 1,8 nm. Dementsprechend erfreut ist Intel über die nun fast finale Gesetzeslage in dem Fall. Parallel dazu traf sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit Intels CEO in den USA. Intel ließ dabei keine Zweifel an dem Bauvorhaben.

The EU Chips Act will crowd-in investments to where they are most needed – in manufacturing capabilities, skills, and R&D. The strong and broad political support for these objectives shows that the EU is serious about securing its future prosperity

Hendrik Bourgeois, VP European Government Affairs at Intel

Die finale Absegnung des EU Chips Act gilt nun nur noch als Formsache, alle beteiligten Parteien sind sich sich der Signifikanz des Pakts bewusst. Ob das ehrgeizige Ziel, mehr als 20 Prozent des Halbleitermarktes aus der EU zu bedienen, damit erreicht wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Ein letztes Intel-Dokument bezieht sich auf das Jahr 2019 und prognostizierte im Bereich der 300-mm-Wafer-Fertigung nur 2,8 Prozent Anteil am Weltmarkt. Viele Produkte in Europa werden noch auf kleineren Wafern in größeren Nanometerstufen produziert. Es gibt zweifelsfrei riesigen Nachholbedarf.

Bisherige Fördermethoden der Staaten und 300-mm-Kapazität
Bisherige Fördermethoden der Staaten und 300-mm-Kapazität (Bild: Intel)
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