Corona-Tracing-App: Entwickler veröffentlichen Quellcode und Screenshots

Andreas Frischholz
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Corona-Tracing-App: Entwickler veröffentlichen Quellcode und Screenshots
Bild: GitHub

Die Anzahl der Corona-Neuinfektionen sinkt, die Beschränkungen des Alltagslebens werden allmählich gelockert. Nichtsdestotrotz arbeiten die Telekom und SAP weiterhin an der Tracing-App, sodass Nutzer Kontakte nachverfolgen können. Auf GitHub veröffentlichten die Entwickler nur den Quellcode der App sowie erste Screenshots.

Der Quellcode der App wurde im Laufe des Pfingstwochenendes nun vollständig auf GitHub veröffentlicht. Für die Entwickler ist dieser Schritt ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der App, die noch im Juni veröffentlicht werden soll. „Seit der Veröffentlichung des ersten Repository am 18. Mai haben wir 400.000+ Views auf den Repositories, über 65.000 einzelne Besucher sowie 260 Meldungen (Issues) und 285 Verbesserungsvorschläge (Pull requests) verzeichnet“, erklärt SAP-CTO Jürgen Müller in einem Beitrag auf LinkedIn. Das wäre ein Zeichen für die lebendige Softwareentwicklungs-Kultur in Deutschland.

Ebenso gibt es nun erste Screenshots, die die Benutzeroberfläche der App-Versionen für Android und iOS zeigen. Zu sehen sind unter anderem Informationen über potentielle Risiko-Kontakte sowie Verhaltenstipps. Außerdem können die Nutzer auswählen, ob sie die Risiko-Ermittlung aktivieren wollen. Mit Coronawarn.app existiert mittlerweile auch eine Webseite mit konkreten Informationen.

Tracing-App für Android
Tracing-App für Android (Bild: GitHub)
Tracing-App für iOS
Tracing-App für iOS (Bild: GitHub)

Technisch sind mittlerweile auch die Grundlagen verfügbar. Sowohl Apple als auch Google haben die Schnittstellen für Tracing-Apps nach dem dezentralen Ansatz bereitgestellt. Die deutsche Corona-App entwickeln mittlerweile Telekom und SAP. Ursprünglich setzte die Bundesregierung auf das Pepp-PT-Modell, bei dem die Daten zentral auf einem Server verarbeitet werden.

Nach massiver Kritik von Bürgerrechtlern und Datenschützern folgte der Wechsel auf den dezentralen Ansatz, bei dem der Kontaktabgleich auf dem jeweiligen Smartphone des Nutzers erfolgt. Für das Modell spricht zudem, dass Apple und Google die entsprechenden Schnittstellen bereitstellen. Das erleichtert die Umsetzung. Wie viel die Entwicklung der App kostet, ist derweil aber weiterhin unklar.

Weiterhin Debatte über Corona-App-Gesetz

Neben den technischen Hürden haben Tracing-Apps allerdings eine weitere zu nehmen. Ausreichend viele Menschen müssen diese nutzen, die Rede ist von rund 60 Prozent der Bevölkerung – in Deutschland also etwa 50 Millionen Bürger. Eine App-Pflicht ist derzeit nicht im Gespräch, Politiker wie der EU-Abgeordnete Axel Voss fordern aber ein Anreizsystem. Bei Kritikern ist das aber äußerst umstritten. Die Forderung ist: Durch die App-Nutzung dürfe niemand diskriminiert werden. Nur so lasse sich ein ausreichendes Vertrauen in der Bevölkerung herstellen.

Die Bundesregierung macht derweil noch keine konkreten Vorstöße für ein Anreizsystem. Stattdessen ist eine Kampagne zum Start der App geplant, berichtet der Spiegel in der aktuellen Ausgabe. Die soll etwa mit Slogans wie „Die Corona-Warn-App: Sagt Bescheid, wenn’s ernst wird“ werben. Das Kanzleramt will zudem, dass Verbände und Gewerkschaften sich bei ihren Mitgliedern für die App-Nutzung einsetzen.

Vertreter der Opposition sowie IT-Experten fordern inzwischen aber ein separates Gesetz für die App. Um Vertrauen herzustellen, würden formale Vorgaben nicht ausreichen. Es müsse rechtlich klar ausgeschlossen werden, dass etwa Daten der App in irgendeiner anderen Form verwendet werden. „Rigoros“ untersagt werden müsste auch ein indirektes Anreizsysteme, heißt es im Spiegel-Bericht.

Die Bundesregierung hält solche Maßnahme derzeit aber für „nicht notwendig“, wie aus einer Antwort auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz hervorgeht. Der App-Download sei ohnehin freiwillig und diese sei an geltendes Recht gebunden, „verankerte Absichtserklärungen“ wären daher nicht notwendig. Von Notz reicht das aber nicht aus. „Die Bundesregierung muss wie bisher schon bei etlichen anderen Fragen rund um die App umschwenken, sonst gefährdet sie deren Erfolg“, so der Grünen-Abgeordnete. Ähnlich äußerte sich die Netzpolitikerin Anke Domscheit-Berg von den Linken.

Australien mit mauen Vorzeichen

Diskutiert wird nach wie vor, ob eine Tracing-App überhaupt sinnvoll ist. Eines der Kernprobleme ist: Ausreichend Menschen müssten diese installieren. Tracing-Apps in anderen Ländern zeigen bereits, wie schwierig das Vorhaben ist. In Australien ließ sich mit der App laut einem Bericht des Guardian von Mitte Mai nur ein Kontakt ermitteln, der nicht ohnehin erfasst wurde. Allerdings: Dort waren die Infektionszahlen zu diesem Zeitpunkt sehr niedrig, die Kontaktverfolgung ist in solchen Fällen auch mit klassischen Instrumenten wie Telefonabfragen möglich.

Überschaubar sind die Erfolgsaussichten der App derzeit auch in Österreich und der Schweiz. Was sich offenbart: Relevant wäre die App vor allem dann, wenn es eine zweite Welle geben sollte und die Infektionszahlen plötzlich wieder nach oben schnellen. Die Frage ist nur, ob bis dahin ausreichend Menschen die App nutzen – und die Technik wie erhofft funktioniert.

Die App selbst soll im Laufe des Junis fertig werden. Die Bundesregierung erhofft sich den Start vor den Sommerferien und damit der Reisesaison – selbst, wenn diese in diesem Jahr nur äußerst eingeschränkt stattfinden dürfte.